Es war ein Tag wie aus dem Bilderbuch. Ein Tag, wie er strahlender nicht sein könnte. Im Licht der aufgehenden Sonne spiegelte sich der wolkenlos blaue Himmel in der gläsernen Fassade der Wolkenkratzer. Ein Tag wie aus dem Bilderbuch. Ein Tag, nach dem nichts mehr so sein würde wie zuvor.
„Das sollte heute ein lockerer Tag werden„, sagte Andy Card, Stabschef des Weißen Hauses, zum US-Präsidenten George W. Bush. Ein angenehmer Tag, an dem Bush bloß einen Pflichttermin in einer Elementarschule zu absolvieren hatte um Werbung für sein Bildungsprogramm zu machen.
Es sollte anders kommen.
Ein 11. September, nach dem nichts mehr so sein würde wie zuvor. Der 11. September 2001. Ein Datum, das zum Synonym wurde für Terror und Hass: 9/11.
Der amerikanische Journalist Garrett M. Graff lässt in seinem Buch ‚Und auf einmal diese Stille‘ jene Menschen zu Wort kommen, die die Anschläge hautnah erlebt haben und gibt dem unfassbaren Geschehen damit Nähe und Emotionen. Unkommentiert fügen sich Stimmen aneinander, Stimmen von Feuerwehrleuten, Polizisten, Opfern, Angehörigen. Die Berichte einer schier endlose Anzahl von Zeitzeugen füllt die mehr als 500 Seiten des Buches. Wir lesen letzte Worte, die Menschen im World Trade Center an ihre Liebsten richten, verfolgen atemlos die Feuerwehrmänner, die die Treppen der Türme hinaufstürmen um Menschenleben zu retten und dabei in den sicheren Tod laufen, doch wir erfahren auch, wie die Attentäter in den Flugzeugen mit der Luftraumkontrolle in Kontakt stehen.
Diese Augenzeugenberichte bilden den größten Anteil des Buches, werden nur selten durch kurze Einschübe unterbrochen, in denen Graff der Leserin/dem Leser die Chronologie der Ereignisse skizziert. Detailliert lässt er uns den Tag noch einmal durchleben und sofort hat man wieder die Bilder vor Augen: die Flugzeuge, die in die beiden Türme rasen, Flug 77 der American Airlines, der mit dem Einschlag im Pentagon endet und schließlich Flug UA93, das Passagierflugzeug, das in Shanksville im US-Bundesstaat Pennsylvania abstürzt.
Die Vielzahl der Statements und Berichte, die Garrett Graff gesammelt und zu einer anrührenden Textcollage verwoben hat, ist beeindruckend. Das Buch beginnt mit dem Astronauten Frank Culbertson an Bord der Internationalen Raumstation, dem einzigen Amerikaner, der sich an jenem Tag nicht auf dem Planeten Erde befand, und endet mit dem Resümee von Daniel Nigro der New Yorker Feuerwehr, der den Einsatz geleitet hat: ‚Wir überleben, wir gehen unserem Alltag nach, aber man bleibt immer Teil des 11. September.‘
Garrett M. Graff hat ein wichtiges Buch geschrieben, dessen ganze Kraft und Wucht daraus resultiert, dass er die Aussagen der Betroffenen eben nicht kommentiert oder gar bewertet. Aussage folgt auf Aussage, Lebensgeschichte auf Lebensgeschichte, Schicksal auf Schicksal. Und währenddessen laufen Menschen um ihr Leben oder springen verzweifelt aus den Türmen in den Tod. Ein Buch, das dazu beiträgt, dass dieser Tag, der sich im kollektiven Gedächtnis nicht nur der US-amerikanischen Bevölkerung eingeprägt hat, nicht vergessen wird.
Ein Buch für alle, die alt genug sind und diesen 11. September 2001 noch in Erinnerung haben, die Fernsehbilder noch immer im Kopf. Aber auch ein Buch für alle, die zu jung sind um sich zu erinnern, oder noch gar nicht geboren waren. Ein herzzerreißendes Buch, das aufrüttelt, das wütend, aber gleichzeitig auch Mut macht, weil es Zeugnis ablegt von Menschen die in dieser Ausnahmesituation das eigene Leben hintangestellt haben um anderen in beispielloser Solidarität beizustehen.